Da war er endlich.. der 03.06.2019, der Tag auf den wir alle gewartet haben. Es ist 11.30 Uhr, wir sitzen ganz entspannt im Wartebereich des Klinikums und Tobias streichelt meine mittlerweile doch recht gut gewachsene Murmel. Seine Worte: „Ich bin so gespannt was es wird, ach, egal.. Hauptsache alles gesund“, liegen mir heute noch in den Ohren. Endlich, wir wurden freundlich ins Zimmer gebeten. Voller Vorfreude machte ich den Bauch frei, schwang mich auf die Liege und wartete darauf, dass es los ging. Tobi saß wie damals bei Leni wieder an meiner Seite und griff meine Hand. Wir genossen die ersten Minuten. Der Arzt sagte nicht sehr viel und sah sich erst einmal alles an. „Sie wissen was es wird“, fragte er uns. „Ich sehe eindeutig die kleinen Eier“ fuhr er fort. Tobi‘s und meine Blicke trafen sich, wir konnten unser Glück kaum fassen. Ein kleiner Mann macht also unsere Familie komplett. Der Arzt untersuchte Herz und Organe, redete aber weiter nicht sehr viel. Nach einer kurzen Zeit sah er uns an und bat uns ein paar Treppen zu laufen.“ Ich kann das linke Ärmchen noch nicht so genau untersuchen, er versteckt es immer. Laufen sie ein wenig und kommen nach 10 min wieder“. Gesagt, getan.. Wer mich kennt, weiß, dass ich alles sofort meinen Eltern und den engsten Freunden mitteilen muss. Ich schickte per WhatsApp ein blaues Herz. Nach 10 Minuten fanden wir uns wieder im Wartebereich ein. Der Arzt bat uns noch kurz zu warten, er würde uns gleich hinein bitten. In der Zwischenzeit sah ich eine Frau im weißen Kittel mit Stöckelschuhen im gleichen Untersuchungsraum eintreten, indem wir 5 Minuten später auch wieder rein gebeten wurden. Ich legte mich wieder auf die Liege. Dieses Mal führte die Dame im weißen Kittel den Ultraschall durch. Die Haare streng nach hinten zu einem Dutt gebunden, ein ernster Blick und auch sie sprach nicht viel. Jedoch dauerte es nur ca. 1 Minute, bis sie dem Arzt zunickte, sich zu uns drehte und mit dem Satz: „Ihr Kind hat eine Fehlbildung an der oberen Extremität“ konfrontierte. Es wurde still, sehr still. Niemand sprach ein Wort. Ich starrte auf den Bildschirm. Meine Gefühlslage in dem Moment kann man schlecht in Worte fassen, ich empfand Angst, ich war unendlich traurig und gleichzeitig empfand ich Hass, Hass auf die Frau im weißen Kittel und den Stöckelschuhen. Wie kann man so etwas so unsensibel an werdende Eltern herantragen. Es war immer noch still im Raum. Tobi hielt meine Hand weiterhin fest, sein Gesicht veränderte sich schlagartig in Trauer. Plötzlich sagte der Arzt, dass er in diesem Moment gerne einen Seelsorger rufen würde. Tja und da war es passiert. Der 03.06.2019, der Tag an dem eine Welt für mich zusammenbrach. Total verstört fing ich an zu weinen, der Arzt brach die Feindiagnostik ab und begleitete uns in einen Nebenraum. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, ich war müde, totmüde, wollte allein sein, dann wieder doch nicht, ich verlor vollkommen die Fassung.Mir riss der Boden unter den Füßen weg. Ja, ich möchte nichts beschönigen.. mir ging es richtig schlecht. Der Arzt versuchte noch zu erklären, dass er einen Termin in Leipzig veranlassen werde, bei einem Spezialisten, der genauer drauf sehen kann. Mir war alles egal, ich wollte einfach nur weinen. Tobi hielt sich wacker, er sah wie schlecht es mir ging. Auf dem Weg nach Hause beruhigte ich mich ein wenig, rief meine Eltern an und bat, dass Leni bei ihnen bleibt, denn so sollte unser Kind uns auf keinen Fall sehen. Mir war warm, und doch kalt, die Klimaanlage musste auf dieser Fahrt einiges aushalten. Mein Kopf war leer. Tobi und ich redeten auf der Heimfahrt kein Wort miteinander. Jeder starrte nur vor sich hin. An der Ampel sah ich, wie nun auch bei ihm kein Halten mehr war.. wir weinten beide, bitterlich! Er fuhr auf Nachtschicht, für ihn war es gut, er hätte nicht zu Hause bleiben können. Ich setzte mich auf die Couch und da saß ich. Es ist 18 Uhr.. ich bin alleine zu Hause, ich weine vor mich hin. Hilfe wird mir von Eltern/Schwiegereltern und engen Freunden angeboten. Doch ich will niemanden sehen. Ich möchte da einfach so sitzen, allein auf der Couch und einfach nur weinen..
