.. Genau so waren die Worte der Ärztin am Telefon. Ich verschwinde im Bad, merke wie mein Puls bis zum Hals schlägt und meine erste Frage ist: „Sterbe ich daran?“. In diesem Moment muss die Ärztin gedacht haben, dass ich völlig durchgedreht bin. Man hört ihr schmunzeln und sie verneint meine Frage. Trotzdem möchte sie mich sehen und mit mir den Befund bereden. Es ist Mittwoch der 16.09.2020, ich bin mitten im Packstress, Sonntag geht es endlich nach Österreich, in das Land wo ich alles ringsherum vergessen kann, wo es mir mental gut geht. Die Berge , die Luft.. hier fühle ich mich wohl, hier müssen wir unbedingt 1x im Jahr hin um Kraft zu tanken. Vier Tage vor Abreise also so eine Botschaft! Mein Kopf fühlt sich voll an, voll mit Gedanken. Was bedeutet dieser „Befund“, sofort fange ich an mit googeln, sofort erinnere ich mich an die Zeit zurück, also wir die Diagnose mit Leopold bekommen haben. Ich durchforste die Seiten und versuche für mich selbst eine Aussage zu finden, bevor ich aus dem Bad rausgehe und es Tobias sagen werde. Mir rinnen die Tränen über mein Gesicht, mir ist Übel, so übel das ich sofort das Gefühl habe mich zu übergeben. Ich hänge über der Toilette, bekomme schlecht Luft. Eine Panikattacke? Bitte jetzt nicht, flehe ich. Ich nehme mich zusammen, gehe ins Wohnzimmer, wo meine Drei so schön miteinander spielen. Ich bringe es in dem Moment nicht übers Herz die schöne Stimmung kaputt zu machen. Ich beteilige mich beim spielen, verdränge für den Moment den Anruf und flüstere Tobias nur leise zu: „Jetzt nicht!“ Er versteht es, und wir toben ausgelassen mit den Kids weiter. Am Abend sitze ich unter Tränen auf der Couch und versuche zusammenzufassen, was die Ärztin mir sagte. Es fällt mir schwer, aber Tobias ist wieder auch in dieser Situation da und gibt mir die Sicherheit, dass alles gut ist. Ich kann meine Gedanken nicht ordnen. Der ganze Alltag ist für mich momentan schwierig zu bewältigen. Eine Mama kann doch aber keine Schwäche zeigen, genau das denke ich mir immer. Trotzdem merke ich innerlich wie schlecht ich mich fühle. Ich muss einfach funktionieren, für meine Kinder, für mich, für Tobias. Ohne Unterstützung meiner Eltern und Schwiegereltern wäre dieser Alltag nicht möglich gewesen. Ich schaffe es gerade so Leni für den Kindergarten fertig zu machen, ein bisschen Frühstück für Leopold und das war es dann wieder. Ich kann nicht mehr, diese Benommenheit, dieser Druck in meinem Kopf, alles macht mich fertig. Ich suche wieder den Weg zu meinem Hausarzt. Beim Betreten der Praxis stellt er mir Taschentücher hin, er sieht es mir an, jetzt geht gar nichts mehr! Bitte suchen sie sich Hilfe, es ist wichtig! Er versuchte mir das schon seit einiger Zeit zu vermitteln, doch dieses Mal merkte ich, dass seine Stimme ernster klingt. Ich nehme meinen Mut zusammen, fahre in die Klinik, setze mich mit der Ärztin an einen Tisch und wir reden über den Befund. Sie erklärt mir alles ganz genau, sagt aber auch immer wieder dazu, dass der Verdacht besteht, nicht, dass dies schon bestätigt wurde. Dazu müssen noch einige Untersuchungen durchgeführt werden. Sie merkt wie ich unter meiner Maske immer ruhiger wurde, sie streichelt meine Hand und sagt mir: „Machen sie sich nicht all zu viele Gedanken, eine MS (Multiple Sklerose) ist heutzutage gut behandelbar.“ Ihr Satz schlug mich wie eine Faust ins Gesicht. MS?, klar habe ich davon gehört, kenne Betroffene und und und, aber es geht gerade hier um mich. Natürlich könnte auch eine andere chronisch entzündliche Erkrankung des ZNS (zentrales Nervensystem) dahinterstecken, sie erklärte mir lediglich, dass MS eine häufige Entzündung sei. Aber im Moment habe ich keine MS, bzw. keine chronische Entzündung in mir, denn die Befunde von den Klinikuntersuchungen waren alle ok. Lediglich wurden Antikörper im Rückenmark nachgewiesen. Diese Aussage sollte ich nun in meinem Kopf so stehen lassen und mir über weitere Verläufe vorerst keine Gedanken machen. Empfohlen wurde mir einen ambulantem Neurologen zu kontaktieren und noch ein MRT anfertigen zu lassen. Ich wackele aus der Klinik, die Gedanken jetzt erstmal ganz hinten im Kopf, denn jetzt stand er an, unser Österreich Urlaub! Wir alle benötigten ihn so dringend! Die schönsten 14 Tage im Jahr, bis dann der nächste Schlag kam..
